Mit einer Menschenkette gedachten gestern rund 150 Neuntklässler des Schillergymnasiums der Vertreibung und Vernichtung der Ortenauer Juden durch das Naziregime. In der großen Pause hielten sich die Schüler an den Händen und umrundeten damit das Schillersaal-Areal komplett.

Menschenkette des Gedenkens

Schüler des Schillergymnasiums erinnerten mit ungewöhnlicher Aktion an Judenvertreibung 1940

Von Ursula Groß (OT 24.10.17)

Offenburg. »Dieses Bild prägt sich ein«, vermutete­ Manfred Keller, Schulleiter­ des Schillergymnasiums. In der großen Pause bildeten­ rund 150 Schüler eine Menschenkette rund um den Schillersaal. Damit wollte man einen etwas anderen Weg der Erinnerung an die Vernichtung der Offenburger und Ortenauer Juden durch das Naziregime gehen, hatte Christine Schmitt, Leiterin der Fachschaft Geschichte, diese spektakuläre Aktion geplant.

Offenburg, Schillergymnasium / Schüler bilden Menschenkette um Schillerhalle zum Gedenken an Gurs (Fotos: Christoph Breithaupt)

Gedacht wurde dem 22. Oktober 1940, dem Tag, an dem alle Offenburger und Ortenauer Juden im Schillersaal zusammengetrieben worden waren. Mit 6000 Leidensgenossen wurden sie mit Zügen in das Lager Gurs in den französischen Pyrenäen verschleppt. Wer dort trotz schrecklicher Lagerbedingungen überlebte, wurde ab August 1942 ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und getötet.

Ruhig und nachdenklich

In der zweiten großen Pause standen also rund 150 Schülerinnen und Schüler der jeweils neunten Klassen mit weit ausgestreckten Armen an den Außenwänden des Schillersaal-Areals. Ruhig und nachdenklich, aber gesprächsbereit für Auskünfte.  Ihre Kette reichte gerade um das Gebäude, verstärkt wurde sie mit Carmen Lötsch, städtische Kulturchefin, Wolfang Gall, Leiter des Ritterhausmuseums, und Historiker Martin Ruch.

Viel Aufmerksamkeit

Die Aktion erreichte tatsächlich eine breite öffentliche Aufmerksamkeit. Passanten und Mitschüler informierten sich bei den gut vorbereiteten Schülern über den Sinn und Hintergrund der Sache. Austauschschüler Dylan Lone (16) aus Wisconsin/USA wusste von seinem Gastgeber-Schüler Alexander Komyakov (15) von der Geschichte der deutschen Judenvernichtung. Beide Schüler erklärten, dass sie auch dafür in der Menschenkette stehen, »damit sich dieses Verbrechen nie mehr wiederhole«.

Dass das eine gute und sinnvolle Aktion war, bestätigte auch Sophia Stern (14). »Wir haben damit mehr Menschen angesprochen«, als etwa in einer Abendveranstaltung.   Carlo Renner (14) erinnerte sich  an Berichte der Zeitzeugin Eva Mendelssohn-Cohn, die regelmäßiger Vortragsgast im Schillergymnasium ist. »Es ist ja unser Schillersaal«, so Carlo, »er gehört zur Schule und damit in unser Gedenken eingeschlossen«.

Generation »Flashmob«

Diese Menschenkette habe Anlass für Gespräch gestiftet, waren sich Geschichtslehrer und die aktiven Schüler einig. Nach einer knappen halben Stunde war alles vorbei. Doch die Generation »Flashmob« hatte auf ihre Weise gezeigt, dass sie die Schicksale der jüdischen Mitbürger nicht vergessen hat. Zumal gerade im Schiller-Schulhof eine Gedenktafel und eine kleine Skulptur sie jeden Tag darauf aufmerksam machen.