Verwandlung ganz ohne Hexenkünste

Lehrer des Schiller-Gymnasiums inszenierten Goethes „Faust“

Faust, Mephisto und Gretchen: Die Figuren aus Goethes berühmten Werk sind bekannt. Doch die Schiller-Lehrer haben mit ihrer neuen, ungewöhnlichen Faust-Inszenierung überrascht.

Faust in der Walpurgisnacht

 

Wie jetzt? In Goethes »Faust I« triumphiert die Liebe über die Hölle – trotz  Gretchens  tragischen Endes heißt es am Schluss von ihr, sie »ist gerettet«. So kommt es jedoch in der Neuinszenierung der  Lehrer-Theatergruppe unter Regisseurin Herta Haupt-Cucuiu nicht. Nach einer herzzerreißenden Kerkerszene, Tragödie »at its best«, umwerfend gespielt vom Gretchen Verena Huber, kommen die erlösenden Worte aus dem Himmel oder sonstwoher nicht.

Immerhin bleibt der Urheber des Unglücks, Faust (toll gespielt von Patrick Hillenbrand-Detzer), neben der zum Tode Verurteilten, gezeichnet und mitgenommen, im Kerker sitzen (»Ich bleibe bei dir!«), flieht nicht wie im Original ins nächste Abenteuer. Ein Faust, der mal Verantwortung übernimmt, ein Paar auf Augenhöhe? Das wäre ja mal etwas ganz Neues, beißen sich doch gerade an der Ungleichheit dieses Paares die heutigen Menschen die Zähne aus.

Aber stimmt es auch so? Da es ja keineswegs eine historisierende Aufführung ist (Dauer: gut eineinhalb Stunden) und einige Szenen gestrichen waren, die das spezielle weibliche Rollenkorsett vergangener Zeiten hätten andeuten können, bleibt hier etwas Unklares stehen.

Jugendlicher Liebhaber

An anderer Stelle ist sehr einleuchtend und geistreich »eingespart« und modernisiert worden. Etwa bei Fausts Verwandlung vom muffligen älteren Gelehrten in einen jugendlichen Liebhaber, ganz ohne  Zauberei und Hexenkünste, nur mit einer ehefrauähnlichen »Das geht so gar nicht!«-Geste in Richtung Outfit vom weiblichen Mephisto (Birgit Seitz).

Überhaupt Mephisto: Eine wunderbare  Idee, Gustav Gründgens endlich mal beiseite zu legen und die  Sache frisch anzupacken. Ein weiblicher Mephisto wirkt menschlicher, nachvollziehbarer – eben mal wie eine energische Ehefrau, dann wie ein Kumpel zum Abhängen, zeitweise wie eine echte  Vertraute. Umso wirksamer sind dann die echten Konfrontationen, in denen Tacheles geredet wird: »Wer stürzte sie ins Unglück – ich oder du?«

Birgit Seitz spielt witzig, ausdrucksstark, managt das Geschehen, kommentiert, und wenn es heiß hergeht wie in der lustigen Szene »In Auerbachs Keller«, singt und tanzt sie auch gerne mit. In dieser Szene spielten Kilian Lenhard (Schlagzeug), Andreas Müller (E-Gitarre) sowie Christoph Keppler und Alexander Neumann als etwas dümmliche Studentenband das Lied »Marmor, Stein und Eisen bricht«, zum Amüsement des Publikums.

Eine weitere fetzige Szene wird von den Mitgliedern des Oberstufen-Tanz-Kurses geboten, die Walpurgisnacht-Stimmung verbreiteten. Höhepunkte sind auch die Szenen mit Frau Marthe Schwerdtlein (hinreißend: Anna Schlosser), wo es einiges zu lernen gibt über weibliche Tricks und Verführungskünste.

Direktor auf der Empore

Die Schillerschüler freuten sich außerdem über ihren Schulleiter, Manfred Keller, ganz in Weiß als »der Herr« von der Empore herunter sprechend, und über Musiklehrerin Barbara Lutz als wissensdurstige Assistentin des Gelehrten Faust.

Ein gewohnt schlichtes, aber sehr ausdrucksstarkes Bühnenbild (weiße Vorhänge, ein Spiegel, jede Menge alter Bücher auf dem Boden, ein großer Kleiderständer), einfache Kostüme in sprechenden  Farben (Gretchen in Rot, Schwarz und Weiß) lenken die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche. Am Ende gab es Beifall für eine insgesamt großartige  Leistung.

(Susanne Kerkovius, OT 20.11.18)