Der Kurs „Literatur und Theater“ am Schiller-Gymnasium führt „Blaubart – Hoffnung der Frauen“ auf

Eigentlich eine gruslige und abgedrehte Geschichte – der schüchterne, unscheinbare Schuhverkäufer Heinrich Blaubart wird traumatisiert durch den Selbstmord seiner ersten Liebe Julia und erleidet dadurch eine Fixierung, die ihn dazu treibt, jede weitere Frau, die sich ihm nähert, umzubringen.

Foto: Maximilian Mandel

So meint er sich und die Frauen aus dem Karussell der übermäßigen Sehnsüchte zu befreien, zerstört sich dabei aber auch selbst. Schließlich befreit sich seine größte und treuste Verehrerin, eine Blinde, stellvertretend für alle Frauen, von der Illusion der übermächtigen, maßlosen Liebe.

Das 1997 uraufgeführte Stück der preisgekrönten Berliner Autorin Dea Loher hat nach 20 Jahren an Aktualität nur noch dazugewonnen. Wer mit jungen Erwachsenen zu tun hat, weiß, wie schwer es heute, im Zeitalter von Internetportalen und Partner-Apps, Medienhype und Zwang zur „Selbstoptimierung“ ist, eine dauerhafte und erfüllende Liebesbeziehung aufzubauen. Alte Rollenmuster sind obsolet, aber sie wirken oft im Unterbewussten weiter. Eine Unmenge an Erwartungen, Forderungen und Wünschen werden dem Gegenüber übergestülpt, und wer Täter und Opfer ist, ist – im Gegensatz zum Grimmschen Blaubartmärchen – längst nicht mehr auszumachen. Folgerichtig sind die Frauen oft zudringlich, fordernd, aggressiv und anstrengend, Blaubart eher passiv, vorsichtig, defensiv. Diese Aspekte konnten die Darsteller durch eine vielseitige, differenzierte Körpersprache ausdrücken.

Verena Huber hat mit ihrem Theaterkurs eine klare, stringente Story aufgebaut. Deutlich zu erkennen war, dass sich jede Spielerin und jeder Spieler intensiv mit der eigenen Rolle auseinander gesetzt hat, lebendige Mimik und intensives Sprechen sorgten für dichte Momente und innere Anteilnahme des Publikums. Dass die Gruppe selbst auf der Suche nach Antworten auf unsere heutigen Lebensrätsel ist, kann man dem beigefügten Heftchen entnehmen, in dem es neun interessante, erstaunliche und persönliche Stellungnahmen zur eigenen Rolle zu lesen gibt.

Das einfache Bühnenbild, in dem eine Parkbank und eine Anzahl verschiedener Damenschuhe genug sagten, sowie die wunderbar ausgesuchte Begleitmusik zu den verschiedenen Szenen (von „Here comes the sun“ bis „Spiel mir das Lied vom Tod“) bewirkten eine Konzentration auf die jeweils unterschiedlichen Aspekte des Geschlechterkampfes, um die es gerade ging. Dass der Protagonist Heinrich Blaubart, der Schuhverkäufer, von drei Schauspielern gespielt wurde (Kevin Braun, Kai Bui und Jan Sander), irritierte nicht, da die drei sich in der Gesamtfigur einig waren und jeder doch einen etwas anderen Aspekt darstellen konnte. Zudem konnten die beiden gerade nicht im Zentrum Stehenden ganz organisch als Bühnenarbeiter eingesetzt werden. Auch die Blinde wurde von zwei Darstellerinnen gespielt (Sophie Mildenberger und Sarah Schubarth) – beide eine tolle Besetzung. Die ermordeten Frauen Julia (Anna Gethmann), Anna (Janine Waidele), Judith (Carolin Botos), Tanja (Karen Nußbaum), Eva (Andrea Benedek-Kaplar) und Christiane (Lisa Helbig) hatten ihre Figur verinnerlicht, waren präsent und stellten ihr persönliches Drama überzeugend dar. Trotz der Schwere und Aussichtslosigkeit der Handlung gab es viele Momente befreienden Lachens und sogar von Leichtigkeit und Romantik. Ein großes Kompliment an Regie, Schauspieler/innen, wunderbare Musik (Andreas Müller) und gelungene Bühnentechnik (Nicola Jäger, Vincent Wilke).

Foto: Maximilian Mandel

Foto: Maximilian Mandel

Susanne Kerkovius