Das Spiel hängt an den Fäden

Mit einer überzeugenden schauspielerischen Leistung und einem herausragenden Bühnenbild hat der Theaterkurs des Schiller-Gymnasiums »Dantons Tod« von Georg Büchner auf die Bühne gebracht. 

Alle Darsteller waren bei »Dantons Tod« mit Fäden an den Händen gefesselt. (Foto: Christoph Keppler)

 

Manch einer der diesjährigen Abiturienten konnte mit dem Sternchenthema im Fach Deutsch, Büchners Drama über die Zeit der Schreckensherrschaft in der Französischen Revolution, nicht so viel anfangen. Nach den Aufführungen des Theaterkurses von Herta Haupt-Cucuiu am Dienstag und Mittwoch im Schillersaal hat sich das sicher geändert. Durch mutige, sinnvolle Kürzungen, ein transparentes Gesamtkonzept und vor allem ein bestechendes Bühnenbild werden die vielen auseinanderstrebenden, teilweise chaotisch erscheinenden Stränge auf einen Blick sichtbar.

»Puppen sind wir«

»Puppen sind wir, von unbekannten Fäden gezogen«, so empfindet es der Protagonist Danton (Julian Chevalier), und entsprechend sind sämtliche handelnden Personen, acht an der Zahl, durch weiße an einer Schiene an der Decke laufende Fäden an den Händen gefesselt. Wer gerade nicht spielt, sitzt bewegungslos auf einem der im Kreis aufgestellten Stühle, wer aktiv ist, kann das nur in einem sehr begrenzten Raum tun, wo sich dann immer etwas verheddert und verknäult.

Die Angeklagten Danton, Lacroix (Vedat Tas – nachdenklich, ernst und gefasst), Camille (Leon Renner – der empathische, freundliche Kamerad und Liebende) und Legendre (Elena Cigolla – will mit vollem Elan in letzter Minute noch alles wenden) sind in blutroten Gewändern deutlich zu unterscheiden, die dazugehörigen Frauen Julie (Tanja Leikam) und Lucile (Sarah Bruder) ebenfalls.

Die rätselhafte Figur der Marion wird durch Sophie Bredows überzeugendes Spiel lebendig. Abweichend von der historischen Realität, jedoch überzeugend und stark in der Präsenz, sind die »Henker« Robespierre (Hanna Füger), St. Just (Marie Suillard) und Herman (Amelie Schunk) weiblich. Als besonders glückliche Besetzung erweist sich Hanna Füger, die die explosive Mischung von Robespierres Persönlichkeit zwischen zarter Überempfindlichkeit, weltfremdem moralischem Rigorismus und cholerischer Gewalttätigkeit faszinierend verkörpert.

Wie sie sich selbst immer wieder die schrecklichen Parolen ins eigene Gewissen einhämmert und die eigene Empathiefähigkeit als Schwäche wegdrückt, das erinnert fatal an Gudrun Ensslin und ihre Mitstreiter.
Julian Chevalier als Danton, der allseits verehrte Held der Anfangszeit, geliebt von seinen Kampfgenossen und seinen Frauen, ist lange Zeit rollengemäß müde, überdrüssig und fatalistisch, steigert sich gegen Ende noch in einer feurigen Rede zu seinem ursprünglichen Format, um sich dann ruhig und in Würde hinrichten zu lassen (in der Konsequenz des Bühnenbildes: durch den Strang).

Stärker als im Drama

Stark auch der Abgang der Frauen, im Drama selbst etwas farblos: Tanja Leikam als Dantons Frau Julie befreit sich durch Selbstmord aus dem unerträglichen Leben. Ganz still wird es, als sie sich selbst den Lebensfaden buchstäblich durchschneidet. Sarah Bruders Flucht in den Wahnsinn, ihr Lied und ihr qualvoller Schrei ist eine andere Art, damit umzugehen.

Zum insgesamt sehr gelungenen Konzept gehört es, durch eine Gruppe von grün gekleideten Darstellern, ebenfalls an Schnüren zusammengebunden, den Aktionsraum der »Straße« mit einzubeziehen. Der Theaterkurs von Verena Huber kann sich hier voll ausleben und das Geschehen beeinflussen durch zugerufene Parolen, Beifalls- und Missfallenskundgebungen oder Singen der Marseillaise. Erschreckend, wie sich innerhalb von Sekunden die Stimmung ändern kann!
Verdienter Beifall nach einer überzeugenden Aufführung mit vielen reifen Leistungen ist der Lohn für die Schüler.

Susanne Kerkovius (aus OT, 14. April 2018)